Kölner Gründer wollen zur Alternative werden

Interview im Kölner Stadtanzeiger vom 20. Mai 1998 (als PDF öffnen)

Der Kölner Hotelier und Autor Werner Peters hat gestern die Partei der Nichtwähler gegründet. Die Partei wolle “eine sinnvolle Alternative zur Stimmenthaltung bieten und sich für eine grundlegende Reform des politischen Systems" einsetzen, sagte Peters auf der Versammlung im Café Central. Bei der Bundestagswahl im Herbst wolle sich die Partei der Nichtwähler zum ersten Mal um Stimmen bewerben.

Herr Peters, sind Sie zum ersten Mal wählen gegangen?

Peters: Bei der letzten Europawahl 1994 habe ich Herrn Wolfgang Ullmann gewählt. einen Mann, den ich persönlich kenne und für integer halte. Aber das war eine Ausnahme. Ich bin seit zehn Jahren bewußter Nichtwähler

Wie kommt ein früheres CDU-Mitglied zu dieser Entscheidung?

Peters: Weil ich meine, daß unser Parteiensystem auf die politischen Fragen keine richtigen Antworten mehr weiß weil es sich versteinert hat und nur noch sich selbst bedient.

Nichtwähler und eine Partei. Ist das kein Widerspruch?

Peters: Ich denke nicht. Ich werde auf diese Weise Menschen wie mir - und davon gibt es eine ganze Menge - die Möglichkeit geben, nicht mehr nur negativ ihre Meinung zu sagen: ich will ihnen eine positive Stimme geben.

Welche politischen Ziele verfolgen Sie?

Peters: Darauf aufmerksam zu machen, daß die Lösung unserer politischen Fragen nur auf dem Umweg über mehr Bürgerbeteiligung zu erreichen ist.

Ihr Programm?

Peters: Reduzierung des Parteienmonopols. Mehr direkte Demokratie. Abschaffung des Fraktionszwangs in den Parlamenten: Wir sind für eine Verkleinerung des Bundestages und der Landtage, für grundlegende Reformen des Sozialversicherungs- und Steuersystems. Ganz wichtig: wir fordern eine Beschränkung politischer Macht, indem Politiker höchstens zwei Wahlperioden im Amt sein dürfen. Wenn wir das beim Amt des Kanzlers anwenden würden, wäre uns wahrscheinlich sehr viel politisches Leid erspart geblieben. Die Stagnation unter Adenauer wiederholt sich bei Kohl- und das beschert uns am Ende solch einen Mann wie Schröder.

Warum engagieren Sie sich nich in einer der bestehenden Parteien und versuchen, diese von innen zu ändern?

Peters: Weil ich es für unmöglich halte, dort etwas zu ändern.

Welches Mandat streben Sie an?

Peters: Im Moment gar keins. Mir geht es mit der Aktion darum, Themen in den Wahlkampf zu bringen, die verschwiegen werden oder verschüttet sind.

Bei der Kommunalwahl 1994 hatte ein ähnlicher Bewerber, die Wählervereinigung “Wir - Kölner Bürger” bei den Bürgern nur wenig Erfolg. Mit wieviel Resonanz rechnen Sie?

Peters: Es gibt Verrückte, die mir sagen, eine Partei der Nichtwähler bekommt auf Anhieb 20 Prozent der Stimmen. Das ist natürlich lächerlich. Es ist aber auch nicht wichtig, ob wir die Fünf-Prozent-Klausel schaffen werden. Entscheidend ist, daß die Themen diskutiert werden.

Werner Peters (56) studierte in Tübingen, Bonn und Harvard Philosophie und Altphilologie. Der gebürtige Düsseldorfer promovierte in Altgriechisch. In den späten sechziger Jahren arbeitete er als Assistent für amerikanische Kongreßabgeordnete, danach zwei Jahre lang als Assistent des Bundesgeschäftsführers der CDU. Wegen der Parteispendenaffäre 1983 trat er Anfang der 80er Jahre aus der CDU aus. 1983 eröffnete er das Künstlerhotel Chelsea, das Café Central und das Restaurant “0. T.” im Belgischen Viertel. Als Autor veröffentlicht Peters wissenschaftliche Publikationen. Er hat 1995 die erste kommunitarische Vereinigung in Deutschland gegründet und ist unter anderem Mitglied im Verein “Mehr Demokratie” und der Kölner Flüchtlingshilfe “Direkt”. Peters hat zwei Kinder im Alter von 14 und 30 Jahren.

Mit Werner Peters sprach Andreas Damm


Pressespiegel

Auswahl

  • „Aufruf zur Enthaltung”, XING.com vom 06.09.2017 (LINK)

  • „Nichtwähler bei Bundestagswahl stärkste Fraktion?”, dw.com vom 25.08.2017 (LINK)

  • „Nichtwähler ins Parlament?”, Märkische Allgemeine vom 20.04.2014 (LINK)

  • Interview: Peters will „das System“ ändern, Rhein Zeitung vom 20.09.2013 (LINK)

  • „Wahlkampf Der Nicht-Wähler-Versteher”, Kölner Stadtanzeiger vom 09.08.2013 (LINK)

  • „Wahl? Mir doch egal!”, Handelsblatt vom 26.06.2013 (LINK)

  • „Völlig gaga? Nichtwähler-Partei: Ohne Inhalt auf die Liste”, Kölner Express vom 15.06.2013 (LINK)

  • „Bundestagswahl Partei der Nichtwähler wiederbelebt”, Kölner Stadtanzeiger vom 15.06.2013 (LINK)

  • „Partei der Nichtwähler Alternative für Wahlmuffel”, Kölne Rundschau vom 13.06.2013 (LINK)

  • „Partei der Nichtwähler - Werner Peters gründet Anti-Klüngel-Verein”, Kölner Express vom 19.05.1998 (als PDF öffnen)




Entscheidend ist, daß die Themen diskutiert werden.
— Dr. Werner Peters

Broschur, 135 Seiten, EWK-Verlag (2011)

Broschur, 135 Seiten, EWK-Verlag (2011)

Werner Peters

Partei der Nichtwähler - Der schlafende Riese

"Es ist gar nicht so sehr die Erfahrung, dass Wahlversprechen gebrochen werden, es ist vielmehr das Empfinden, dass Wahlen, die ja zu veränderten Mehrheiten in den Parlamenten führen sollen, an den Grundproblemen der Gesellschaft nichts ändern, dass sich vor allem für den Bürger nichts ändert, weil sich die Politiker letztlich für ihn nicht interessieren, sondern nur für sich selbst."


Der schlafende Riese

Schon seit einiger Zeit verweist die Gruppe der Nichtweile oder, wie sie von den Journalisten bisweilen - teils ha ironisch, teils durchaus respektvoll – genannt wird, die Partei der Nichtwähler alle anderen Parteien auf die Plätze. Dass die noch nicht so dramatisch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen ist, geht auf die einfache Tatsache zurück, dass der An. teil der Nichtwähler, sagen wir dreißig Prozent, von der Gesamtzahl der Wahlberechtigten gezogen wird, die Prozente der Parteien aber von der Zahl der abgegebenen und gültigen Stimmen. Würde man fairerweise dieselbe Berechnungsmethode anwenden, so hätte etwa die CDU/CSU bei der Bundestagswahl 2009 gegenüber den 29,2 Prozent der Nichtwähler gerade mal 23,6 Prozent der Wahlberechtigten auf sich vereinigt, die SPD 16 Prozent, die FDP 10,2 Prozent und die Grünen 7,5 Prozent.

Natürlich schlägt sich dieser Wahlerfolg nicht in Mandaten nieder, ist doch diese sogenannte Partei gänzlich unorganisiert, überaus heterogen, weitgehend desorientiert und angeblich gerade dadurch gekennzeichnet, dass ihre (Nicht-)Wähler an der Politik keinen Anteil nehmen. Nichtsdestoweniger hat sie inzwischen so viel an politischer Bedeutung gewonnen, dass sie - wie etwa im Fall der jüngsten Wahl in Nordrhein-Westfalen - wahlentscheidend wirkt. Aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung konnte die SPD, die nicht nur keinen Stimmenzuwachs zu verbuchen hatte, sondern im Gegenteil Verluste gegenüber dem letzten schon nicht so berauschenden Wahlergebnis hinnehmen musste, trotzdem so viele Mandate gewinnen, dass sie die bisherige Regierung ablösen konnte.

Ob die Nichtwähler das so gewollt haben? Zumindest diejenigen unter ihnen, die der CDU bei dieser Wahl in Scharen davongelaufen sind und darauf verzichtet haben, ihre Stimme abzugeben. Aber was ist mit den immerhin 130.000 ehemaligen SPD-Wählern, die zu den Nichtwählern übergelaufen sind? Wollten auch sie der SPD einen Denkzettel verpassen? Und was ist mit denen, die schon seit Jahren zu keiner Wahl mehr gehen? Haben sie ein wie auch immer geartetes Motiv für diese Haltung oder sind sie nur politisch abstinent?

Aber was heißt das schon: politische Abstinenz? Auch diese kann viele Gründe haben. Immerhin ist angesichts ihrer ständig anwachsenden Zahl das Phänomen der Nichtwähler inzwischen zum Thema geworden. Während in den ersten Jahrzehnten der politischen Geschichte der Bundesrepublik die Wahlbeteiligung bzw. Wahlenthaltung kaum Beachtung gefunden hat, wurden die Nichtwähler zuerst von der akademischen Wissenschaft, dann von den Journalisten entdeckt und sind inzwischen auch den Politikern aufgefallen.

Die wachsende Zahl der Nichtwähler wird von den Politikern der etablierten Parteien zwar nach jeder Wahl mit Krokodilstränen beklagt, hat sie aber bisher nicht zu einer tief greifenden Ursachenforschung veranlasst, die eventuell bei ihnen selber landen könnte. Im Gegenteil, man geht bald zur Tagesordnung über, denn das System ist so gebaut, dass die Nichtwähler politisch einfach nicht zählen. Nicht einmal bei der Zuteilung der Wahlkampfkostenerstattung machen sich die fehlenden Wählerstimmen bemerkbar, weil die Parteienfinanzierung geschickt darauf angelegt ist, de facto nur die abgegebenen Stimmen zu belohnen. Bei der Sitzverteilung spielen die Nichtwähler sowieso keine Rolle. Sie fallen unter den Tisch, wie die Stimmen der kleinen Parteien, die unter fünf Prozent geblieben sind, und man teilt den ganzen Kuchen unter den etablierten Parteien auf.

 

Werner Peters unternimmt in diesem Buch die längst fällige Rehabilitierung der politisch bewussten Nichtwähler, die erkannt haben, dass die etablierten Parteien sich nirgends mehr auf der Höhe der Zeit und ihrer Probleme bewegen.

Noch schweigen die Nichtwähler. Nicht, weil sie von der Politik nichts verstehen, sondern weil sie viel zu viel wissen, das sie von der Teilnahme an folgenlosen Wahlritualen abhält.

Hier schläft ein Riese, zahlenmäßig inzwischen deutlich stärker als jede der so genannten Volksparteien.

Erwächst der erstarrten Parteiendemokratie hierzulande in Gestalt der „Partei der Nichtwähler" die erneuerte Volkspartei von morgen?

Bernd Guggenberger