Sonntagsfahrverbot und 100-Stundenkilometer-Limit

„Putin, behalt Dein Gas, ich dusche kalt“, solche Sprüche fanden sich auf Plakaten bei dem zur Solidaritäts-Demonstration umgewandelten Kölner alternativen Rosenmontagszug. Ob diese selbstbewusste Komfort-Einschränkung dem Ernstfall standhält, mag offen bleiben, viel wichtiger ist die Tatsache, dass ein Zusammenhang gesehen wird zwischen unserem Lebensstandard und unserer Energieabhängigkeit. Wir sind bereit, wenn wir dem trotzigen Plakatträger glauben, unsere Ansprüche zurückzuschrauben, wenn außergewöhnliche Umstände, wie hier die Solidarität mit der Ukraine, und dazu bewegen. Das gilt aber auch für Veränderungen in unserem eigenen gesellschaftlichen Umfeld, wie die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im Rahmen der Corona- Maßnahmen gezeigt haben.

Wir sind nicht nur abhängig von russischen Energielieferungen (mit denen wir, nebenbei gesagt, den Krieg in der Ukraine mitfinanzieren), wir verbrauchen auch zu viel Energie, mit der wir nicht nur unseren Wohlstand fördern, sondern gleichzeitig die Atmosphäre erhitzen. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, wo dieses Dilemma so deutlich ins Bewusstsein der Menschen dringt, unter Beweis zu stellen, dass wir bereit sind, uns einzuschränken? Ein vier-wöchentliches Sonntagsfahrverbot, wie es vor fast fünfzig Jahren nach dem ersten Ölpreisschock verordnet wurde, verbunden mit einem – eventuell zunächst auf ein paar Monate beschränkten - Tempolimit auf 100 Stundenkilometer würde zwar sicherlich nicht die Abhängigkeit von russischer fossiler Energie abrupt beenden, geschweige denn die Erderwärmung messbar reduzieren, es wäre aber ein Weckruf, dass wir alle etwas tun müssen und tun können, um uns einzuschränken und damit der Ideologie des Wachstums etwas entgegenzusetzen.

Noch werden wir damit getröstet, man könnte sogar sagen, verblendet, dass alles so bleiben kann, wie es ist und wir mit neuen Technologien und sogenanntem grünen Wachstum die Klimakatastrophe abwenden. Das Wachstum selbst ist das Problem – denn es gibt kein unendliches Wachstum – und wir können ihm nur mit dem Mittel der Einschränkung entgehen. Natürlich ist das Sonntagsfahrverbot und das Tempolimit eine Einschränkung des „Fahrvergnügens“, aber sie ist nicht erdrückend, und an das Tempolimit würde man sich vermutlich so rasch gewöhnen wie an die Anschnallpflicht, das Maskentragen und das Rauchverbot in Gaststätten. Man könnte die Menschen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und der Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas sogar leicht dazu bringen, ihr Recht auf „freie Fahrt für freie Bürger“ zurückzustellen. Entscheidend ist, dass wir hiermit ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir unserer bisher als selbstverständlich angesehenen uneingeschränkten Konsum-Freiheit Grenzen setzen müssen.